Volkswahl der Regierung
Mit der Volkswahl der Regierung sollen Regierungsmitglieder künftig durch das Volk und nicht mehr durch die Parteien gewählt werden. Dabei soll die Gewaltentrennung durch den Einbezug des Volkes gestärkt, die Demokratie ausgebaut und der Volkswille besser abgebildet werden.

Wir informieren in diesem Beitrag über die geplante Gesetzesänderung und beleuchten Pro- und Kontra-Argumente.

Historische Entwicklung

03/2016

Meinungsumfrage

Im Frühjahr 2016 lässt die DPL eine repräsentative Meinungsumfrage unter der liechtensteinischen Wählerschaft vom Forschungsinstitut "gfs.bern" zur Direktwahl der Regierung erstellen.

Für etwa die Hälfte der Wählerschaft werden die Aspekte Kompromisseigenschaft, Ausbildung, politischer Standpunkt und politisch ausgewogene Regierung als „sehr wichtig“ eingestuft. Hingegen war die Parteizugehörigkeit für 64% der Befragten eher unwichtig oder ganz unwichtig. Dies spricht deutlich gegen die heutige Praxis der Regierungsbildung. Auch wenn bezüglich einer möglichen Direktwahl der Regierung vor der besagten Umfrage noch keine intensive öffentliche Diskussion stattgefunden hatte, befürworteten 67% der Befragten mehr oder weniger dezidiert eine Mitbestimmung bei der Besetzung der Regierung durch das Volk. Diese hohe Zustimmungsrate zog sich quer durch die Parteien.

12/2019

Postulat

Am 20. Dezember 2019 wurde von den Abgeordneten der DPL ein Postulat zur Direktwahl der Regierung durch das Volk eingereicht.

Daraufhin wurde das Liechtenstein Institut durch die Regierung beauftragt, die Direktwahl entsprechend dem Auftrag des Postulats zu durchleuchten.

03/2022

Erkenntnisse zur Beantwortung des Postulats

Aufgrund der Erkenntnisse aus der Beantwortung des Postulats zur "Direktwahl der Regierung durch das Volk", vom 20. Dezember 2019 wurden die folgenden Eckwerte definiert, um daraus den Verfassungsentwurf vom "Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA)" entwickeln zu lassen.

(o.V.. In: Volkswahl der Regierung https://www.t.ly/-kqeZ (Link gekürzt), zugegriffen am 11.09.2023.)

Alle Regierungskandidierenden werden im Majorzwahlverfahren vom Volk «vorgeschlagen». Eine Voranmeldung der Kandidierenden ist erforderlich.

Jeder Wahlkreis wählt je zwei Regierungsvertreter, womit Ober- und Unterland Anspruch auf je mindestens zwei Mitglieder in der Regierung haben. Der Regierungschef wird wahlkreisübergreifend gewählt. Kandidierende dürfen sowohl für das Amt des Regierungschefs als auch für das Amt des Regierungsrates kandidieren.

Der Landtag prüft die Volkswahl, spricht den durch das Volk ausgewählten Regierungskandidierenden das Vertrauen aus und empfiehlt diese dem Landesfürsten zur Ernennung.

Der Landesfürst behält das Ernennungs- und Abberufungsrecht.

Der Landtag verliert formal das Vorschlagsrecht; materiell wurde das gemäss Art. 79 Abs. 2 Satz 1 LV bestehende Vorschlagsrecht bislang ohnehin nicht ausgeübt. In der Staatspraxis nominierten die Parteien zuhanden des Landtages Kandidierende. Der Landtag genehmigte jeweils den Nominationsvorschlag, der in den Landtagswahlen siegreichen Parteien. Die nichtöffentlichen Absprachen zwischen den Parteien würden nunmehr durch eine öffentliche Volkswahl ersetzt. Das formelle Vorschlagsrecht würde in einen Akt der Vertrauensbekundung des Landtages zugunsten der vom Volk nominierten Personen umgestaltet. Spricht der Landtag dem Vorschlag des Volkes das Vertrauen nicht aus, kommt es zu Neuwahlen des Landtags und der Regierung innerhalb von sechs Wochen.

Der Landtag behält das Abberufungsrecht für einzelne Regierungsmitglieder und für die Gesamtregierung.

06/2023

Anmeldung der Verfassung­­s­-initiative

Am 07. Juni 2023 wurde von den DPL Initianten Thomas Rehak, Herbert Elkuch, Erich Hasler und Pascal Ospelt, bei der Regierung diesbezüglich eine Verfassungsinitiative eingereicht.

Damit sollen die demokratischen Rechte ausgebaut werden. Dabei geht es um die Mitbestimmung des Volkes bei der Wahl der Regierungsmitglieder. Bisher konnten nur die Parteien, nicht aber die Regierungsmitglieder selbst gewählt werden.

11/2023

Volksabstimmung zur Verfassungs-initiative

Am 23. November 2023 konnten die Initianten 1´956 von den Gemeinden beglaubigte Unterschriften an die Regierung überreichen. Das sind 456 Unterschriften mehr, als für eine Verfassungsinitative notwendig gewesen wären.

Die Volksabstimmung zur "Volkswahl der Regierung" wurde für den 25. Februar 2024 anberaumt.

Bisherige Regierungsbestellung

Aktueller Ablauf der Wahl der Regierung und des Landtages in Liechtenstein

Kandidierende für den Landtag und die Regierung werden von den Wählergruppen gestellt. Wählergruppen können Parteien oder Privatpersonen sein. Man muss kein Parteimitglied sein, um bei den Landtagswahlen kandidieren zu können. Wahlberechtigt sind gemäss Verfassung alle Landesangehörigen, die mindestens 18 Jahre alt sind und im Lande wohnen. Man muss sich bzw. die Wählergruppe binnen 14 Tage nach der Festsetzung des Wahltermins durch die Regierung anmelden. Dazu sind mindestens 30 beglaubigte Unterschriften aus einem Wahlkreis (Ober- oder Unterland) nötig. Die Liste muss eine Bezeichnung der Wählergruppe tragen.

Das Volk wählt den Landtag aus den Kandidierenden, die von den Wählergruppen gestellt werden.

Die Regierung wird in geheimer Wahl vom Landtag aus den Kandidierenden für die Regierung bestimmt und einvernehmlich mit dem Landesfürst ernannt.

Vorteile

Eine schnelle Regierungsbildung aus den stimmenstärksten Wählergruppen wird ermöglicht. Blockaden innerhalb der Regierung und durch den Landtag sind unwahrscheinlich.

Nachteile

Regierungskandidierende müssen sich nur vor der Wählergruppe jedoch nicht vor dem Volk bewähren. Ein direkter Rückhalt für Regierungskandidierende aus dem Volk ist so nicht sichergestellt. Hinzu kommt, dass bereits aufgestellte Kandidierende für die Regierung im Zuge der Regierungsbildung seitens der Wählergruppen ohne Zustimmung des Volkes ausgetauscht werden können.
Wählerinnen und Wähler, die parteiunabhängig eine bestimmte Person an der Regierungsbildung beteiligen wollen, müssen in dem bisherigen System eine Partei stärken. Eine parteiunabhängige Wahl der Regierungskandidierenden ist nicht möglich. 


Neue Regierungsbestellung

Ablauf der Wahl der Regierung und des Landtages nach Annahme der Gesetzesänderung zur Volkswahl der Regierung

Kandidierende für den Landtag und die Regierung werden von den Wählergruppen gestellt. Wählergruppen können Parteien oder Privatpersonen sein. Man muss kein Parteimitglied sein, um bei den Landtagswahlen kandidieren zu können. 

Das Volk wählt den Landtag aus den Kandidierenden, die von den Wählergruppen gestellt werden (siehe "Bisherige Regierungsbestellung").

Die Regierung wird in geheimer Wahl vom Landtag aus den Kandidierenden für die Regierung, die vom Volk gewählt wurden, bestimmt und einvernehmlich mit dem Landesfürst ernannt.

Vorteile

Die Bevölkerung kann aus den Kandidierenden der Wählergruppen, Personen für die Regierung, welche sich im Zuge des Wahlkampfes bewähren müssen, direkt wählen. Die so vom Volk legitimierten Kandidierenden für die Regierung müssen vom Landtag und Landesfürsten bestätigt werden. Kandidierende für die Regierung können so nachträglich nicht ausgetauscht werden und die Wahl von Regierung und Landtag ist parteiunabhängig. 

Nachteile

Wenn Kandidierende für die Regierung vom Landtag nicht anerkannt werden, kann dies, wenn gesetzlich nicht entsprechend geregelt zu langwierigen Neuwahlen führen. Blockaden innerhalb der Regierung und seitens des Landtages sind unter Missachtung des Prinzips der Kollegialregierung denkbar.


Pro Volkswahl der Regierung

Argumente, die für die Wahl der Regierungsmitglieder durch das Volk sprechen

Bürgernahe Politik

Das liechtensteinische Stimmvolk entscheidet parteiübergreifend über geeignete Personen, welche sich der Direktwahl stellen und sich im Wahlkampf bewähren müssen. Kandidierende müssen nicht die Parteien, sondern das Stimmvolk überzeugen.

Parteiunabhängige Wahl der Regierung

Durch die Volkswahl ist eine von Parteistimmen unabhängige Regierungsbildung möglich. Eine parteipolitische Entscheidung für den Landtag wird von der Regierungsbildung entkoppelt. Nicht der Landtag entscheidet, wer die Regierung bildet, sondern das Volk.

Keine versteckte Ersatzbank

Gewählte vom Fürstenhaus noch nicht bestätigte Mitglieder der Regierung können nicht mehr seitens der Wählergruppen nachträglich ausgetauscht werden.

Entkoppelte Wahl

Der Landtag wird unabhängig abgekoppelt von der Regierung gewählt. Damit werden für die Wählerinnen und Wähler die Interessenskonflikte eliminiert. Der Wähler kann jeweils die nach seiner Ansicht geeignetsten Landtags- und Regierungskandidaten wählen.

Contra Volkswahl der Regierung

Argumente, die gegen die Wahl der Regierungsmitglieder durch das Volk sprechen

Keine Experimente

Das Modell der Volkswahl stellt ein neues System dar, das es so noch nicht gibt. Dies kann zu einer Destabilisierung des politischen Gefüges führen.

Handlunsgunfähigkeit

Ohne entsprechenden Rückhalt seitens der Mehrheitsparteien könnten politische Ziele blockiert werden. Regierungsmitglieder könnten innerhalb der Regierung isoliert werden.

Personenkult

Der Fokus wird zu sehr auf einzelne Personen gerichtet. Bürgerinnen und Bürger könnten sich so ähnlich wie in den USA zu sehr auf eine Person konzentrieren und negative Effekte auf den Abstimmungskampf haben.

MiM-Fazit: Die Stärkung des Souveräns ist ein Qualitätsmerkmal

Die MiM-Partei unterstützt die Verfassungsänderung und die Volkswahl der Regierungskandidierenden. Der direkte Einbezug des Souveräns in die Regierungsbildung bringt den Vorteil, dass:

  • sich Regierungskandidierende einer direkten Wahl stellen und sich im Wahlkampf vor dem Volk bewähren müssen.
  • die Mitglieder die vom Stimmvolk gewählt wurden, einen grossen Rückhalt aus der Bevölkerung geniessen.
  • Kandidierende nicht im Nachhinein ausgetauscht und durch andere (nicht propagierte) ersetzt werden können.
  • Kandidierende, die nicht überzeugend die Interessen des Volkes vertreten, sich nicht durchsetzen können. Die Selektion der Regierungsmitglieder erfolgt durch das Volk und nicht durch die Parteispitzen.
  • das Prinzip der parteiübergreifenden Arbeit im Sinne einer Kollegialregierung gefördert und gefordert wird.
  • die Landtagsabgeordneten unabhängig gewählt werden können, ohne für die indirekte Wahl vermeidlicher Regierungskandidaten und -kandidatinnen Parteistimmen vergeben zu müssen. 

Es ist davon auszugehen, dass durch die Volkswahl der Regierung eine bürgernahe Politik gestärkt wird und so weniger durch das Volk korrigierend über Referenden und Initiativen eingegriffen werden muss. Die Stärkung des Souveräns ist ein Qualitätsmerkmal und die Volkswahl der Regierung ein Vertrauensbeweis in die Bevölkerung.

Die MiM-Partei empfiehlt dem Verfassungsvorschlag zuzustimmen und so den Weg für entsprechende Gesetzesänderungen zur genaueren Ausgestaltung der "Volkswahl der Regierung" zu ebnen.

Volkswahl der Regierung
Mensch im Mittelpunkt 29 Januar, 2024
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